In der digitalen Welt von heute navigieren wir durch unzählige Websites, Apps und Online-Dienste. Doch manchmal scheint es, als wollten uns diese Plattformen bewusst in die Irre führen. Hier kommen die sogenannten „Dark Patterns" ins Spiel. Das sind manipulative Designstrategien, die darauf abzielen, Nutzer zu Entscheidungen zu bewegen, die oft nicht in ihrem besten Interesse sind. Doch was genau sind Dark Patterns, wo werden sie eingesetzt und warum? Nachfolgend werfen wir einen genaueren Blick auf diese unsichtbaren Stolperfallen und warum sie bei uns allen funktionieren.
Was sind Dark Patterns?
Der Begriff "Dark Patterns" wurde erstmals 2010 von Harry Brignull geprägt. Der Usability-Experte und Webdesigner erkannte, dass viele Webseiten und Apps auf ihren Benutzeroberflächen gezielt Designelemente einsetzen, um Nutzer zu manipulieren. Diese Dark Patterns (deutsch: dunkle Muster) nutzen psychologische Tricks, um Nutzer zu verwirren, zu täuschen oder zu überreden. Auf diese Weise verleiten sie Nutzer zu Handlungen, die sie sonst nicht ausführen würden. Zum Beispiel einen Newsletter zu abonnieren, ein Produkt zu kaufen oder persönliche Daten preiszugeben.
Erkenntnisse aus der Neuroforschung zur menschlichen Entscheidungsfähigkeit
Dabei machen sich die Entwickler von Dark Patterns nicht von ungefähr Erkenntnisse aus der Neuroforschung zunutze, insbesondere im Bereich der Entscheidungsfindung und der kognitiven Verzerrungen. Die Neuroforschung untersucht, wie das menschliche Gehirn Entscheidungen trifft und welche Prozesse dabei ablaufen. Wichtige Erkenntnisse sind unter anderem:
Heuristiken und Biases: Menschen nutzen oft gedankliche Abkürzungen oder intuitive Regeln (sogenannte Heuristiken), um schnell und einfach Entscheidungen zu treffen. Diese Abkürzungen können jedoch zu systematischen Fehlern/Fehleinschätzungen (Biases) führen.
Kognitive Überlastung: Wenn Menschen mit zu vielen Informationen konfrontiert werden, neigen sie dazu, suboptimale Entscheidungen zu treffen, weil sie sich überfordert fühlen.
Emotionale Reaktionen: Emotionen spielen eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung. Entwickler können emotionale Auslöser (Trigger) nutzen, um bestimmte Reaktionen hervorzurufen.
Die folgenden Beispiele für Dark Patterns veranschaulichen die zugrundeliegenden neuropsychologischen Prinzipien:
Knappheit: Durch die Anzeige begrenzter Verfügbarkeit oder zeitlich begrenzter Angebote wird ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugt. Dies macht sich die menschliche Tendenz zunutze, bei knappen Ressourcen schnell zuzugreifen.
Herdentrieb oder soziale Beweise: Anzeigen wie „100 Leute sehen sich das gerade an" nutzen das menschliche Bedürfnis, sich konform zu verhalten und auf das Verhalten anderer zu vertrauen.
Vorauswahl: Voreingestellte Optionen (z.B. Produkte, die automatisch in den Warenkorb gelegt werden) nutzen die Trägheit der Menschen aus, die dazu neigen, die voreingestellten Optionen nicht zu ändern (Status Quo Bias). Hier spricht man auch vom Sneak into Basket-Dark Pattern, dem heimlichen Warenkorb.
Weitere typische und häufige Dark Patterns
Dark Patterns sind im digitalen Raum überall und vielfältig anzutreffen: von Online-Shops über soziale Netzwerke bis hin zu mobilen Anwendungen. In den meisten Fällen erkennen wir sie nicht als solche. Einige der häufigsten sind:
Versteckte Kosten (Hidden Fees): Dies geschieht häufig bei Online-Einkäufen, wenn zusätzliche Gebühren erst im letzten Schritt des Kaufprozesses offengelegt werden. Häufig findet sich dieses Muster bei Flug- oder Reiseportalen.
Zwangsregistrierung: Nutzer werden gezwungen, ein Kundenkonto zu erstellen und persönliche Informationen anzugeben, bevor sie eine Seite oder einen Online-Shop nutzen können. Oft ohne klare Erklärung, warum dies notwendig ist.
Irreführung (Misdirection): Wichtige Informationen werden durch grafische Gestaltung absichtlich so präsentiert, dass der Nutzer abgelenkt wird und eine unvorteilhafte Entscheidung trifft. Ein Beispiel hierfür ist ein prominenter „Kaufen“-Button gegenüber einem unscheinbaren „Ablehnen“-Button.
"Schabenfalle" (Roach Motel): Der Name beschreibt ganz treffend eine Situation, in der es sehr einfach ist, sich für einen Dienst anzumelden, aber extrem schwierig, sich wieder abzumelden.
Verwirrende Sprache und Mehrdeutigkeit (Trick Question): Komplizierte, mehrdeutige Sprache soll den Benutzer verwirren und ihn zu einer Handlung veranlassen, die er sonst nicht ausführen würde. Missverständliche Formulierungen und verwirrende Fragen (z.B. eine doppelte Verneinung) erschweren z.B. die richtige Auswahl bestimmter Schaltflächen wie Beenden.
Ködern und Umlenken (Bait and Switch): Hier führt das Anklicken einer Schaltfläche zu einem anderen Ergebnis als erwartet. Ein typisches Beispiel ist das X für Schließen, das beim Anklicken unerwartet ein Update ausführt. So geschehen bei einem Update des Betriebssystems eines bekannten Softwareherstellers.
Erzwungene Kontinuität (Forced Continuity): Benutzer werden nach einer kostenlosen Testphase oder einem vergünstigten Einstiegsangebot automatisch in eine kostenpflichtige Mitgliedschaft überführt, ohne dass sie ausreichend informiert oder gewarnt werden. Absichtlich suggeriert schon das Design Kostenlosigkeit.
Klickmüdigkeit (Click Fatigue): Ein manipulatives Dark Pattern, bei dem Nutzer absichtlich mit vielen Klicks oder Interaktionen überlastet werden, Dies kann durch endlose Pop-ups, wiederholte Bestätigungsaufforderungen oder die Navigation durch mehrere Untermenüs geschehen. Ziel dieses Dark Patterns ist es, den Benutzer zu frustrieren und zu ermüden, so dass er entweder aufgibt oder unbewusst einer weniger erwünschten Aktion zustimmt. Besonders deutlich wird dieses Muster bei der Zustimmung zur Verwendung von Cookies. Die Zustimmung zu (technisch nicht notwendigen) Cookies ist meist mit nur einem Klick möglich. Wer mehr Privatsphäre wünscht, muss sich dann unter Einstellungen durch eine Vielzahl von Optionen klicken. Dieses Muster ist auch bei der Kündigung von Abonnements oder der Ablehnung von Zusatzangeboten zu beobachten.
Das Gegenteil von Dark Patterns sind sogenannte "Ethical Patterns" oder "Bright Patterns". Sie zielen darauf ab, die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern, Transparenz zu fördern und die Selbstbestimmung der Nutzer zu respektieren.
Warum werden Dark Patterns benutzt?
Dark Patterns werden aus mehreren Gründen verwendet, hauptsächlich aus wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen.
Steigerung der Umsätze und kurzfristige Gewinnmaximierung
Erhöhung der Benutzerbindung - Verhinderung von Abwanderung
Sammlung und Nutzung von Daten
sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen
Verhalten der Nutzer zu steuern
Wie sind Dark Patterns rechtlich einzuordnen?
Die rechtliche Seite der manipulativen Techniken rückt immer mehr in den Fokus von Gerichten, Politik und Interessensverbänden wie den Verbraucherzentralen. Mit dem seit Februar 2024 gültigen Digital Services Act (DSA) wird Betreibern von Online-Plattformen der Einsatz von Dark Patterns verboten. Diese EU-Verordnung gilt unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten. Sie will ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld schaffen und den Verbraucherschutz fördern. Die konkrete Umsetzung beziehungsweise die rechtliche Bewertung von einzelnen Praktiken wird sicherlich die Gerichte noch beschäftigen. Viele dieser Praktiken bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone.
Fazit
Dark Patterns sind mehr als nur lästige Design-Tricks. Sie sind moralisch verwerflich, weil manipulativ. Sie erzeugen Misstrauen durch mangelnde Transparenz im digitalen Raum. Sie verstoßen gegen die Nutzerfreundlichkeit. Für Unternehmen mag es verlockend sein, diese Techniken einzusetzen. Langfristig können sie jedoch das Vertrauen und die Loyalität der Nutzer untergraben. Verbraucher müssen wissen, dass Dark Patterns existieren und wie sie wirken. So können Sie sich besser vor den digitalen Stolperfallen im Alltag schützen.