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Fahrerflucht? Lieber nicht! Straftatbestand!
Dresden, 21. April 2022 | (ks)
Wer an einem Verkehrsunfall beteiligt ist und sich vom Unfallort entfernt, begeht Fahrerflucht. Begriffsgleich wird von Unfallflucht oder Verkehrsunfallflucht gesprochen. Juristisch handelt es sich um "Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort". Aber ist bereits ein Parkrempler ein Unfall? Und reicht ein Zettel an der Windschutzscheibe aus? Fahrerflucht ist kein Kavaliersdelikt, egal wie hoch der verursachte Schaden ist. Die Strafen sind hart. Je nach Einzelfall wäre sogar eine Freiheitsstrafe möglich. Ab wann eine Unfallflucht vorliegt und es zur strafrechtlichen Verfolgung kommt, erfahren Sie im Folgenden.
Was als Unfall zählt
Viele denken beim Vorwurf der Fahrerflucht an schwere Unfälle mit hohen Sach- oder Personenschäden, bei denen sich der Täter der Polizei oder den Ersatzansprüchen des Unfallgegners entziehen will. Ein Verkehrsunfall ist bereits bei einem Fremdschaden im Bereich von 30 bis 50 Euro gegeben. Also auch der kleine Kratzer infolge einer Unachtsamkeit beim Ausparken und das Anfahren von Leitplanken und Verkehrsschildern. Wer sich dann vom Unfallort entfernt, ohne mit dem Opfer oder der Polizei zu sprechen, begeht Fahrerflucht gemäß § 142 Strafgesetzbuch (StGB).
Was viele nicht wissen ist, dass man den Straftatbestand auch erfüllen kann, wenn man selbst am Unfall nicht schuld ist oder selbst nicht gefahren ist (Beifahrer). Der völlig schuldlose Unfallbeteiligte muss ebenfalls an der Unfallstelle bleiben und seine Personalien bekannt geben. Selbst Fahrradfahrer oder Fußgänger können sich strafbar machen. Bei Fußgängern ist der Klassiker meist das Touchieren eines Autos mit dem Einkaufswagen.
Was sagt § 142 über das unerlaubte Entfernen vom Unfallort
(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er
- zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder
- eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich
- nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder
- berechtigt oder entschuldigt
vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.
(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, dass er an dem Unfall beteiligt gewesen ist und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.
(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).
(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.
Gut zu wissen:
- Fahrer- beziehungsweise Unfallflucht ist eine Straftat und keine Ordnungswidrigkeit.
- Unfallflucht liegt jedoch nur vor, wenn ein Schaden eingetreten ist. Sprich, eine Person wurde verletzt oder ein Gegenstand/ein anderes Fahrzeug wurde beschädigt.
- Den Tatbestand erfüllt selbstverständlich nicht, wer nichts von einem Unfall bemerkt hat, weil es sich zum Beispiel um eine nicht wahrnehmbare Kleinstkollision gehandelt hat.
Erläuterung einiger Aspekte
Der Unfallflucht-Paragraf oder -Tatbestand ist in seiner Beschreibung nicht ganz eindeutig. Was ist angemessen? Was ist unverzüglich? Was ist zumutbar? Gute Fragen. Zumindest sollte man wissen, dass gängige Laien-Auffassungen nicht vor Strafe schützen. Ein Gericht kann das anders beurteilen.
- Die Länge der Wartepflicht
Wie lang muss die sogenannte Wartepflicht sein? Nach § 142 Abs. 1 die "nach den Umständen angemessene Zeit"? Viele gehen hier pauschal von 30 Minuten aus. Allerdings gibt es dazu keine allgemeingültige Aussage. Was im Einzelfall erforderlich und zumutbar ist, bemisst sich an Umständen wie: entstandener Schaden, Lage des Unfallortes, Tageszeit, Witterungsverhältnisse, Verkehrsdichte sowie den Grad des Feststellungsbedürfnisses. An einem lauen Frühlingstag dürfte das Warten sicherlich länger zumutbar sein als im Winter bei 20 Grad minus. In der Regel sollte man zum Beispiel tagsüber auf dem Supermarktparkplatz bis zu einer Stunde warten. Auf nächtlichen Landstraßen beträgt die Wartezeit im Regelfall maximal 30 Minuten.
- Der Zettel an der Windschutzscheibe
Die Vorstellung ist weit verbreitet: Es genügt, einen Zettel mit den eigenen Personalien und Versicherungsdaten oder eine Visitenkarte an die Windschutzscheibe oder in den Türrahmen zu klemmen. Das ist grundsätzlich nicht ausreichend. Man muss trotzdem warten. Und wenn dann immer noch kein Geschädigter erscheint, sollte man auf jeden Fall die Polizei anrufen beziehungsweise zur nächsten Polizeidienststelle fahren.
- Die Zeitspanne von unverzüglich nachträglich
Wer umsonst am Tatort gewartet hat, muss die Feststellung seiner Unfallbeteiligung bei der Polizei also unverzüglich auf jeden Fall nachholen. Wie viel Zeit er dafür hat, hängt, wie bei der Wartezeit auch von den Tatumständen, der Tatzeit sowie der Schwere des Schadens ab.
Unverzüglich ist auf jeden Fall viel weniger als 24 Stunden. Wer das verpasst, dem hilft nämlich nur noch die sogenannte 24-Stunden-Regel. Sie ermöglicht es dem Unfallflüchtigen, innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall Angaben bei der Polizei zu machen. Man spricht von tätiger Reue. Das ist jedoch nur bei geringeren Schäden bis zu 1.300 Euro und auch nur bei Parkplatzunfällen (außerhalb des fließenden Verkehrs) möglich. Die tätige Reue bleibt jedoch nicht unbestraft: Das Gericht kann die Strafe zwar mildern oder ganz von einer Strafe absehen. Dennoch kostet das drei Punkte im Flensburger Strafregister.
Welche Strafen bei Fahrerflucht drohen
Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort ist eine Straftat und wird drastisch bestraft: mit Geldstrafen, Punkten im Flensburger Zentralregister, Fahrverbot und bis hin zu Freiheitsstrafen. Gerichte entscheiden hier im Einzelfall und unter Betrachtung aller Umstände.
- Der Verstoß gegen das unerlaubte Entfernen vom Unfallort wird regelmäßig bereits beim Ersttäter mit mindestens einer Geldstrafe im Bereich eines Monatsnettogehalts bestraft. Zudem werden im Verkehrszentralregister in Flensburg zwei Punkte eingetragen.
- Beträgt der Fremdschaden mehr als ca. 1300 Euro wird im Regelfall der Führerschein entzogen und eine Sperrfrist von mindestens sechs Monaten verhängt. Zudem werden im Fahreignungsregister drei Punkte eingetragen.
- Ein Bußgeld ist bei Fahrerflucht nicht vorgesehen, da es sich dabei um eine Straftat handelt, die nach dem Strafgesetzbuch behandelt wird.
- Unfälle mit Personenschaden ziehen besonders schwerwiegende Konsequenzen nach sich: Fahrlässige Körperverletzung wird gemäß § 229 StGB mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet. Im Falle einer fahrlässigen Tötung drohen sogar fünf Jahre Haft.
- Fahrerflucht in der Probezeit ist ein A-Verstoß. Dieser wird unabhängig der Schadenshöhe mit einer zweijährigen Verlängerung der Probezeit und dem Besuch eines Aufbauseminars bestraft.
Fahrerflucht und Autoversicherung
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort stellt eine Obliegenheitsverletzung in der Autoversicherung dar. Autofahrer sind verpflichtet, alles Erforderliche zur Aufklärung eines Unfallschadens beizutragen. Tun sie das nicht, hat das Auswirkungen auf den Versicherungsschutz.
Als Unfallflüchtiger muss man dann auch für die Schäden aufkommen, die man an dem anderen Fahrzeug verursacht hat (Kfz-Haftplicht). Zwar zahlt die Versicherung zunächst einmal im Voraus. Sie wird den Versicherten aber in Regress nehmen.
In der Kaskoversicherung kann die Versicherung vollständig leistungsfrei werden. Das heißt, sie ist nicht verpflichtet, den entstandenen Schaden am eigenen Fahrzeug zu bezahlen. Sie hat zudem das Recht, dem Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz zu kündigen.
Fahrerflucht und Verkehrsrechtsschutz
In § 142 StGB sind nicht alle Aspekte zum Thema Unfallflucht ganz eindeutig geregelt und es gibt viele Ausnahmen. Für Laien sind juristische Definitionen mit der Lebenswirklichkeit nicht deckungsgleich. So gibt es im juristischen Sinn beispielsweise Unterschiede zwischen einem berechtigten, einem entschuldigten und einem unvorsätzlichen Entfernen vom Unfallort. Es kann jedem passieren, dass er ohne schlechte Absicht und im Glauben, richtig gehandelt zu haben, mit dem Tatvorwurf Unfallflucht konfrontiert wird. Hier braucht man anwaltliche Hilfe. Eine Verkehrs-Rechtsschutz-Versicherung übernimmt dann die Kosten.
Vor allem Parkrempler verschwinden gern mal
Der häufigste Fall von Fahrerflucht ist jedoch der Parkrempler. Und wer selbst einen solchen Schaden hatte, ohne die gegnerische Versicherung in Anspruch nehmen zu können, weiß, wie ärgerlich das ist. Die eigene Versicherung ist schließlich dafür da, die Vermögensinteressen des Unfallgegners zu wahren.
Weil es doch einige gibt, die sich nach einem Schaden bewusst vom Acker machen (und jeder Autofahrer ist ja versichert), ist das mögliche Strafmaß einer Fahrerflucht durch den Gesetzgeber bewusst recht rigide gewählt. Vorausgesetzt, man erwischt den Delinquenten. Wenn nicht, lohnt sich für neuere Autos der Baustein Parkschadenschutz in der Kasko-Autoversicherung.
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