Der Spruch "Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht" könnte auch auf den Kleiderschrank der meisten Menschen zutreffen. Übervoll, alles da und doch nichts zum Anziehen. Dank Fast Fashion und Online-Shopping ist das nächste It-Piece nur einen Klick entfernt und zudem erschwinglich. Die Philosophie der schnellen (Wegwerf)Mode hat sich in den letzten Jahrzehnten stark entwickelt und wird von vielen großen Einzelhändlern wie Zara, H&M und Primark geprägt. Doch was verbirgt sich hinter diesem Konzept? Warum hat es sich so verbreitet und welche Folgen hat es für die Umwelt? Wer leidet dafür? Und vor allem: Welche Alternativen gibt es?
Was versteht man unter Fast Fashion?
Fast Fashion (schnelle Mode) bezeichnet ein globales Geschäftsmodell in der Textil- und Modeindustrie, das darauf abzielt, die neuesten Modetrends schnell und kostengünstig zu produzieren und zu vertreiben. Diese Trends werden oft von den Laufstegen der großen Modenschauen abgeschaut und innerhalb weniger Wochen in den Geschäften angeboten. Die Hauptmerkmale von Fast Fashion sind:
Kurze Produktionszyklen: Von der Designphase bis zum fertigen Produkt vergehen oft nur wenige Wochen.
Günstige Preise: Die Kleidung aus minderwertigen Materialien wird zu niedrigen Preisen verkauft, um den Konsum anzukurbeln.
Hohe Stückzahlen: Große Mengen an Kleidung werden produziert, um die Nachfrage zu befriedigen.
Kurze Lebensdauer: Die Mode wird gar nicht oder nur wenige Male getragen, bis sie entsorgt wird.
Der Klamotten-Überkonsum in Zahlen:
Früher gab es vier Kollektionen pro Jahr. Heute werden bis zu 52Microkollektionen pro Jahr herausgebracht. Also jede Woche eine neue Kollektion.
60 Kleidungsstücke pro Jahr und Person kaufen die Deutschen.
120 Milliarden Kleidungsstücke werden pro Jahr global produziert.
Der Verkauf neuer Kleidung hat sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt.
Billigmode wie ein Party-Top wird im Schnitt 1,7 Mal getragen bis es ausrangiert wird.
Laut einer Greenpeace-Studie wird rund 40 Prozent der gekauften Kleidung nie angezogen.
Allein in deutschen Privathaushalten landen jährlich schwindelerregende 1,3 Millionen Tonnen Kleidung im Müll.
Weltweit werden jährlich über 92 Millionen TonnenTextilabfälle erzeugt.
Die Zahlen zeigen den Wahnsinn des modernen Konsumverhaltens. Vor allem, wenn man bedenkt, dass nicht nur „Altkleider", sondern auch überproduzierte neue Textilien im Müll landen.
Recycling-Versprechen der Händler
Für das gute Gewissen haben auch die Fast-Fashion-Händler das Recycling entdeckt. So kann man bei H&M Altkleider zurückbringen und erhält 15 Prozent Rabatt auf den nächsten Einkauf. Doch wie wird recycelt? Dass aus Kleidung wieder neue Kleidung wird, passiert so gut wie nie. Das liegt an den Fast-Fashion-Materialien. Rund 70 Prozent aller neuen Textilien bestehen aus synthetischen Mischfasern, die auf Rohölbasis hergestellt werden. Aus diesen minderwertigen Textilgemischen lassen sich keine neuen Kleidungsstücke herstellen. Sie werden bestenfalls teilweise zu Dämmstoffen und Putzlappen verarbeitet.
Warum hat sich Fast Fashion so rasant entwickelt?
Nicht nur der verständliche Wunsch sich modisch zu kleiden und sich das auch leisten zu können, hat den Fast Fashion-Stein ins Rollen gebracht. Die Entwicklung ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen:
Globalisierung: Durch die Globalisierung können Modefirmen ihre Produktion in Länder mit niedrigen Lohnkosten verlagern. Dies senkt die Produktionskosten erheblich und ermöglicht es, Kleidung zu niedrigen Preisen anzubieten.
Technologischer Fortschritt: Technologische Fortschritte, insbesondere in der Fertigung und im Transportwesen, haben die Produktionszeiten verkürzt und die Effizienz erhöht.
Konsumverhalten: Das Konsumverhalten hat sich in den letzten Jahren verändert. Mode wird zunehmend als Wegwerfartikel betrachtet und der Wunsch nach immer neuen Trends und Styles treibt den Markt an.
Marketingstrategien: Aggressive Marketingstrategien und die Nutzung sozialer Medien haben zu dieser Entwicklung beigetragen. Vor allem Influencerinnen mit ihrer Werbekraft für „modisch sein" heizen die Nachfrage nach immer neuen Kleidungsstücken an.
Die negativen Folgen von Fast Fashion
Die Produktion von billiger Wegwerfkleidung hat weitreichende negative Folgen. In den bunten und verführerischen Modefilialen spüren die Konsumentinnen und Konsumenten davon nichts. Doch der modische Überkonsum hat einen viel höheren Preis als der verlockende Zahlpreis auf dem Etikett. Den ethischen und ökologischen Preis zahlen vor allem die Menschen in den Produktionsländern. Am Ende zahlen wir alle, denn Billigmode ist ein ökologisches Desaster.
Negative Auswirkungen auf die Umwelt
Ressourcenverbrauch: Für die Herstellung von Kleidung werden große Mengen an Wasser, Energie und Rohstoffen benötigt. So werden für die Herstellung eines einzigen Baumwoll-T-Shirts schätzungsweise rund 2.700 Liter Süßwasser benötigt. Das entspricht der Menge, die eine Person in 2,5 Jahren trinkt.
Chemikalien und Umweltverschmutzung: Um ein Kilogramm Kleidung zu produzieren, werden bis zu einem Kilogramm Chemikalien eingesetzt. etwa um Fasern zu färben oder Stoffe zu imprägnieren. Diese Chemikalien gelangen oft ungefiltert in die Umwelt und verschmutzen Gewässer.
Abfall: Da Fast Fashion auf Kurzlebigkeit ausgelegt ist, wird viel Kleidung weggeworfen. In vielen Fällen landen diese Textilien auf Mülldeponien oder werden verbrannt. Dabei werden unter anderem Dioxine freigesetzt, was zur Luftverschmutzung beiträgt. Weniger als die Hälfte der Altkleider wird zur Wiederverwendung oder zum Recycling gesammelt. Und nur ein Prozent wird bisher zu neuer Kleidung recycelt.
CO2-Emissionen: Die Herstellung und der Transport von Kleidung verursachen erhebliche CO2-Emissionen, die zur globalen Erwärmung beitragen. Schätzungen zufolge verursacht die Modebranche 10 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen – mehr als internationale Luftfahrt und Seeschifffahrt zusammen.
Soziale Auswirkungen
Niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen: In vielen Textilfabriken in Entwicklungsländern arbeiten die Menschen unter prekären Bedingungen wie niedrigen Löhnen und langen Arbeitszeiten. Die Arbeitsbedingungen sind oft unsicher und gesundheitsschädlich.
Kinderarbeit: Aufgrund der extrem niedrigen Produktionskosten und der hohen Nachfrage nach billigen Arbeitskräften werden in einigen Ländern Kinder in der Textilindustrie beschäftigt. Diese Kinder werden oft ihrer Bildungschancen beraubt und sind gefährlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt.
Mangelnde Arbeitsrechte: In vielen dieser Länder gibt es keine oder nur schwache Gewerkschaften, die die Rechte der Beschäftigten vertreten. Dadurch haben die Arbeiter wenig bis keine Möglichkeiten, sich gegen unfaire Arbeitsbedingungen zu wehren oder Verbesserungen einzufordern.
Verlust von Freude am Kaufen und dem Gefühl von Wertigkeit
Fast Fashion verführt dazu, jeden noch so kurzlebigen Trend mitzumachen. Der individuelle Kleidungsstil als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit geht verloren. Kleidung verliert ihren Wert als Konsumgut. Freude und Genuss an hochwertiger Kleidung können gar nicht erst entstehen. Die Befriedigung über einen Kauf währt nur kurz, dann muss schon das nächste Teil her. Das bewusste und durchdachte Einkaufen mutiert zur impulsgetriebenen Schnäppchenjagd.
Was sind die Alternativen?
Es gibt verschiedene Ansätze, um den negativen Auswirkungen von Fast Fashion entgegenzuwirken und nachhaltigere Alternativen zu fördern:
Slow Fashion: Slow Fashion betont Qualität statt Quantität und fördert langlebige, zeitlose Designs. Kleidung wird unter fairen Arbeitsbedingungen und mit umweltfreundlichen Materialien produziert. Manchmal genügt es, auf Impulskäufe zu verzichten, nachhaltige und faire Modemarken zu unterstützen und den Konsum zu reduzieren, ohne dabei auf Qualität und Stil verzichten zu müssen.
Second-Hand und Vintage: Der Kauf von Second-Hand- oder Vintage-Kleidung ist eine nachhaltige Möglichkeit, den Lebenszyklus von Kleidungsstücken zu verlängern und den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Kleidungsstücke zu teilen oder zu tauschen ist eine weitere Möglichkeit.
Nachhaltige Marken: Immer mehr Modemarken setzen auf Nachhaltigkeit und Transparenz in ihrer Produktion. Sie verwenden umweltfreundliche Materialien und achten auf faire Arbeitsbedingungen.
Reparieren und Upcycling: Anstatt Kleidung wegzuwerfen, können beschädigte Stücke repariert oder kreativ umgestaltet werden. Upcycling verleiht alten Kleidungsstücken ein neues Leben.
Bewusster Konsum: Ein bewussterer Umgang mit Mode, der den Kauf auf wirklich notwendige Stücke beschränkt und auf Qualität statt Quantität setzt, kann einen großen Unterschied machen.
Die Seite siegelklarheit.de des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gibt einen Überblick, wofür bestimmte Umweltzeichen stehen.
Nicht nur Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch Politik und Hersteller sind beim Thema Fast Fashion gefordert. Die deutsche Textilindustrie bietet mittlerweile ein breites Angebot an Produkten aus nachhaltig angebauter Baumwolle im deutschen Handel an. Auch Garne aus recycelten Alttextilien werden zunehmend erfolgreich eingesetzt. Weltweit ist der Weg des Umdenkens und Umsteuerns jedoch noch weit.
EU will Textilabfälle reduzieren und den Lebenszyklus sowie das Recycling von Textilien verbessern
Im März 2022 stellte die Europäische Kommission eine neue Strategie vor, um Textilien haltbarer, reparierbarer, wiederverwendbar und recycelbar zu machen, gegen „Fast Fashion“ vorzugehen und Innovationen innerhalb des Sektors zu fördern. Diese Strategie ist Bestandteil des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft.
Im Juni 2023 legten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments Vorschläge für strengere EU-Maßnahmen zur Eindämmung der übermäßigen Produktion und des Verbrauchs von Textilien vor. In dem Bericht des Parlaments wird gefordert, dass bei der Herstellung von Textilien die Menschen-, Sozial- und Arbeitsrechte sowie der Umwelt- und Tierschutz beachtet werden müssen. Mehr Informationen zu den EU-Maßnahmen…
Fazit
Fast Fashion hat die Modeindustrie revolutioniert, aber eben auch erhebliche negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft. Es liegt in der Verantwortung von Konsumenten, Modeunternehmen und politischen Entscheidungsträgern, nachhaltigere Alternativen zu fördern und umzusetzen. Durch bewusste Entscheidungen und ein verändertes Konsumverhalten können alle dazu beitragen, die Modeindustrie umweltfreundlicher und sozial gerechter zu gestalten.
Mit der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie unseres Unternehmens sind wir Teil der gesellschaftlichen Transformation und beschreiten Schritt für Schritt den Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit. Auch in unserem Blog werden wir uns weiterhin mit allgemeinen Themen zu Umwelt- und Klimaschutz beschäftigen.