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Keine Führerschein-Gesundheits-Checks für ältere Autofahrer
Dresden, 02. Mai 2024 | (ks)
Führerschein-Gesundheits-Checks zur Fahrtüchtigkeit von Autofahrenden, insbesondere von Senioren, werden immer wieder mal diskutiert. Hintergrund ist, den Straßenverkehr europaweit sicherer zu machen. Das EU-Parlament hat zum Jahresbeginn 2024 einen Vorschlag der EU-Kommission für verpflichtende altersunabhängige Fahrtauglichkeitstests aller 15 Jahre im Rahmen der Verlängerung des Führerscheins abgelehnt. Stattdessen obliegt es den nationalen Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten nun selbst, ob sie entsprechende Gesundheitsuntersuchungen von Autofahrern einführen wollen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) erteilte einer solchen Regelung in Deutschland erneut eine Absage.
„Menschen sind in der Lage, für sich und andere Verantwortung zu übernehmen"
sagte Wissing dem Tagesspiegel. Neben dem Vertrauen in die Selbsteinschätzung der Pkw-Fahrer fürchtet er vor allem einen hohen bürokratischen Aufwand. Die Versicherer sind ebenfalls gegen Gesundheitschecks und präferieren verpflichtende Rückmeldefahrten.
Viele EU-Staaten haben jedoch verpflichtende Tests
Verpflichtende Gesundheitschecks sind zwar bereits in 14 EU-Ländern Standard, unter anderem in Spanien, Portugal, Spanien, Italien, Belgien oder den Niederlanden. Dennoch ist das Thema umstritten. Unstrittig ist, dass vor allem Senioren mit eingeschränktem Seh- oder Reaktionsvermögen besonders betroffen wären. Diskutiert wird aber, ob ältere Autofahrer überhaupt ein höheres Risiko darstellen und ob Check-ups die Verkehrssicherheit generell erhöhen würden.
Mehrheit der Deutschen für verpflichtende Gesundheitstests
Im Gegensatz zur Bundesregierung findet eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung verpflichtende Eignungstests gut. Zu diesem Ergebnis kommt eine im April veröffentlichte YouGov-Umfrage im Auftrag des Automobilzulieferers Continental. 64 Prozent der Befragten halten ärztliche Untersuchungen zur Fahrtauglichkeit für sinnvoll. 53 Prozent der jüngeren Erwachsenen sprachen sich zudem dafür aus, die Gültigkeit des Führerscheins für Autofahrer ab 70 Jahren an solche Untersuchungen zu knüpfen. Das lehnen die Befragten ab 70 dagegen ab. Am höchsten war die Zustimmung bei den 18- bis 29-Jährigen.
Auch die Versicherer lehnen Tests ab
Nicht nur Politiker, auch Experten und Versicherer lehnen medizinische Untersuchungen zur Fahrtauglichkeit – trotz breiter Unterstützung in der Bevölkerung – ab.
„Sie haben keine positiven Effekte für die Verkehrssicherheit, wie die Forschung inklusive einer Studie der Unfallforschung der Versicherer zeigt. Ältere sind in der Regel unter Kontrolle ihrer Hausärzte und medizinisch gut eingestellt.“
meint Kirstin Zeidler, Leiterin Unfallforschung beim Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft.
Die Versicherer plädieren dafür, verpflichtende Rückmeldefahrten für ältere Autofahrer einzuführen. Dabei handele es sich um 30- bis 60-minütige Fahrten im realen Straßenverkehr mit einem speziell geschulten Fahrlehrer oder Verkehrspsychologen. Eine solche Pflicht könnte ab einem Alter von 75 Jahren eingeführt werden.
„Die Unfallforschung hat gezeigt, dass Rückmeldefahrten mit speziell geschulten Fahrlehrern oder Verkehrspsychologen positiv angenommen werden“
so Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV). Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat Feedback-Fahrten in zwei Projekten geprüft. Die Mehrheit der Teilnehmenden bewertete die Rückmeldungen positiv. „Das Testergebnis sollte vertraulich sein und ohne Konsequenzen für den Führerschein“, findet Asmussen.
Auch nach Einschätzung des ADAC wäre eine gesetzliche Verpflichtung zu Fahrtauglichkeitstests für Seniorinnen und Senioren nicht verhältnismäßig. Denn gerade ältere Verkehrsteilnehmer würden riskante Fahrmanöver vermeiden, so der ADAC. So zeichneten sich Seniorinnen und Senioren in der Regel durch einen der Situation angepassten Fahrstil und vorausschauendes Fahren aus.
„In der Praxis reduzieren beispielsweise Seniorinnen und Senioren ihren Mobilitätsradius deutlich, wenn sie merken, sie können zwar noch fahren, aber zum Beispiel nicht mehr bei Nacht und Regen, und passen sich entsprechend an“ Volker Wissing im Tagesspiegel
Laut ACE-Autoclub stellen verpflichtende Fahreignungstests ältere Menschen unter Generalverdacht. Der ACE hält dies für eine inakzeptable Diskriminierung.
Ältere Menschen sollten auf eine sichere Art und Weise als Autofahrende lange mobil bleiben können. Das ist nicht nur ihr persönlicher Wunsch, sondern auch ein zentrales gesellschaftliches Anliegen. Denn das ermöglicht die uneingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und erhöht die Lebensqualität.
Sind Senioren ein Risiko im Straßenverkehr?
Jüngere und ältere Fahrer sind vergleichsweise häufig die Gruppen, die Unfälle verursachen. Im Jahr 2022 waren die mindestens 65-Jährigen in mehr als zwei Drittel der Fälle (68,7 %) die Hauptverursachenden, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Bei den mindestens 75-Jährigen wurde sogar gut drei von vier unfallbeteiligten Autofahrerinnen und -fahrern die Hauptschuld am Unfall zugewiesen (76,6 %). Das ist mit Abstand der höchste Wert aller Altersgruppen. Saßen junge Erwachsene im Alter von 18 bis 20 Jahren am Steuer eines Pkws, waren sie in 70,8 Prozent der Fälle für den Unfall hauptverantwortlich. Auch die meisten Falschfahrer sind Senioren.
Allerdings sind ältere Menschen gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung seltener in Verkehrsunfälle verstrickt als jüngere. Im Jahr 2022 waren das 15,1 Prozent aller Unfallbeteiligten mit Altersangaben.
Die Versicherer berücksichtigen das erhöhte Unfallrisiko bei älteren und natürlich auch bei jüngeren Fahrern bei der Prämiengestaltung, um allen Versicherten gerecht zu werden.
Was können Senioren am Steuer für die Sicherheit tun?
- Fahrtauglichkeit freiwillig prüfen lassen
Die Angebote enthalten eine Auswertung und persönliche Beratung.
Mobilitäts- oder Fahrfitness-Checks unter anderem bei manchen Fahrschulen, Dekra, Tüv Nord, Tüv Süd, ADAC
(Eine Meldung an Behörden ist ausgeschlossen.) - freiwillige regelmäßige Gesundheitschecks
beim Arzt und Aufklärung über die Wirkungen von Medikamenten
(Ärzte unterliegen der Schweigepflicht) - moderne Techniken nutzen,
wie optische oder akustische Einparkhilfen, Einparkassistenten, Rückfahrkameras, Spurhalteassistenten und elektronische Abstandsregler sowie größere Rückspiegel
Sie erleichtern nicht nur das Einparken und Fahren, sondern erhöhen auch die Sicherheit.
Bei welchen Symptomen oder Krankheitsbildern sollte man nicht Auto fahren?
Die Fahrtüchtigkeit wird nicht nur vom Alter, sondern auch von individuellen gesundheitlichen Faktoren beeinflusst. Nachfolgend sind einige Symptome und Krankheitsbilder aufgeführt, bei denen eine Einschränkung oder ein Verzicht auf das Autofahren in Betracht gezogen werden sollte. Dies wird altersbedingt bei Senioren häufiger der Fall sein beziehungsweise sich gravierender auf die Fahrtauglichkeit auswirken.
Bei bestimmten Erkrankungen können Ärztinnen und Ärzte auch ein rechtsverbindliches Fahrverbot aussprechen. Insbesondere im Rahmen von Demenzerkrankungen, aber auch nach einem frischen Herzinfarkt oder bei Epilepsie ist die aktive Teilnahme am Straßenverkehr nicht erlaubt.
- Krankheitsbilder und Symptome
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- Eingeschränktes Sehvermögen
Sehprobleme wie verschwommenes Sehen, Nachtblindheit oder eingeschränktes peripheres Sehen; Krankheitsbilder wie Linsentrübung (Grauer Star) oder erhöhter Augeninnendruck (Glaukom).- Hörprobleme
Schlechtes Hören kann dazu führen, dass Warnsignale, Hupen oder Verkehrslärm überhört werden.- Kognitive Beeinträchtigung
Demenz, Alzheimer oder andere Formen kognitiver Beeinträchtigung beispielsweise durch Schlaganfall- Motorische Einschränkungen:
Arthritis, Muskelschwäche oder andere motorische Probleme; neurologische Erkrankungen wie Parkinson- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, koronare Herzkrankheitenoder andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen können zu plötzlichen gesundheitlichen Problemen wie einem Herzinfarkt führen.- Schlafstörungen
Schlafapnoe und andere Schlafstörungen können zu übermäßiger Tagesschläfrigkeit und Sekundenschlaf führen- Medikamenteneinfluss
Viele Medikamente können Schläfrigkeit, Schwindel oder andere Nebenwirkungen verursachen. Hierzu zählen unter anderem Psychopharmaka, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Mittel gegen Muskelverspannungen und Herzmedikamente. Senioren, die oft verschiedene Medikamente einnehmen, sollten deren Auswirkungen auf die Fahrtauglichkeit mit einem Arzt oder Apotheker besprechen.
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Fazit mit etwas Polemik:
Auf der einen Seite wird über ein höheres Renteneintrittsalter diskutiert, dessen Grenzen teilweise bei 70 oder 72 Jahren gesehen werden. Keine Rolle spielt in den entsprechenden Diskussionen, verpflichtende Gesundheitstests anzuordnen, um festzustellen, ob man noch arbeitsfähig ist. Auf der anderen Seite wäre man zu alt zum Fahren, aber noch jung genug zum Arbeiten? Fakt ist: Die Menschen werden nicht nur älter, sie altern auch anders. Oder besser: Sie bleiben länger jung. Eigenverantwortung, hinter der eine entsprechende Lebenserfahrung steht, kann den Seniorinnen und Senioren durchaus zugetraut werden. Schließlich gibt es auch eine Art soziale Kontrolle der Fahrtüchtigkeit durch Familie und Freunde, die mit dem nötigen Fingerspitzengefühl erfolgen sollte.
Es wird immer Menschen geben, die sich in unverantwortlicher Weise im Straßenverkehr bewegen. Die einen sind bekifft oder betrunken. Die anderen merken nicht, dass sie nicht (mehr) geeignet sind, ein Fahrzeug zu führen, weil die komplexen Anforderungen sie überfordern. Das hat zunächst einmal nichts mit dem Alter zu tun. Richtig ist aber, dass man mit zunehmendem Alter selbstkritischer mit seinen Fahrfähigkeiten umgehen sollte. Die vorhandenen Hilfsangebote sind dabei eine Unterstützung.
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