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  • Zwei Menschen halten jeweils einen Stift in der Hand und prüfen Vertrag vor der Vertragsunterzeichnung

    Die Obliegenheiten im Versicherungsvertrag

Dresden, 16. Januar 2023 | (ks)
 
Mit einem Versicherungsvertrag bekommt ein Versicherungsnehmer nicht nur Versicherungsschutz für das Risiko, dass er versichert hat. Wirksam werden auch Rechte und Pflichten, die er kennen und einhalten muss. Ansonsten könnte der Versicherungsschutz im schlimmsten Fall entfallen. Dass man die vereinbarte Versicherungsprämie pünktlich bezahlen muss, versteht sich von selbst. Darüber hinaus sind bestimmte Verhaltenspflichten zu beachten, die unter dem Begriff Obliegenheiten zusammengefasst werden.
 
Obliegenheiten vor Vertragsabschluss dienen einer Versicherungsgesellschaft unter anderem dazu, das Versicherungsrisiko besser einschätzen zu können und eine risikogerechte Versicherungsprämie zu kalkulieren. Obliegenheiten haben zudem einen vorbeugenden Charakter. Schadenfälle und Schadenhöhen sollen im Interesse der gesamten Versichertengemeinschaft möglichst gering gehalten werden. Versicherungsgesellschaften unterliegen übrigens selbst Obliegenheiten, die sie zu erfüllen haben, zum Beispiel einer Hinweispflicht gegenüber ihren Kunden.

Obliegenheit - Begriffserklärung

Die Obliegenheit ist ein Rechtsbegriff, der in verschiedenen Rechtsarten und insbesondere im Versicherungsrecht Anwendung findet. Darunter versteht man Verhaltens-Verpflichtungen, die ein Versicherungsnehmer mit seinem Vertragspartner, dem Versicherer, eingeht.
 
Obliegenheiten und Sanktionen bei Verstößen sind zum einen gesetzlich vorgeschrieben, und zwar im Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Daneben gibt es weitere vertragliche Obliegenheiten, die im Versicherungsvertrag benannt sind. Welche Obliegenheiten im Einzelnen ein Versicherungsnehmer zu beachten hat, richtet sich zudem nach der Art der Versicherung, insbesondere ob es sich um eine Sach- oder Personenversicherung handelt.
 
Auch wenn es sich um Verhaltenspflichten handelt, ist eine Obliegenheit nur eine Verhaltensnorm. Sie kann nicht erzwungen oder eingeklagt werden. (Erzwingbar und einklagbar sind nur Rechtspflichten.) Allerdings liegt es im Eigeninteresse des Versicherungsnehmers, die Obliegenheiten für seinen Versicherungsschutz zu kennen und zu beachten. Verstößt er dagegen, hat das je nach Schwere des Verstoßes, beispielsweise Fahrlässigkeit oder Arglist unterschiedliche rechtliche Konsequenzen. Im schlimmsten Fall kann er seinen Versicherungsschutz verlieren. Besonders in der Wohngebäude- und der Hausratversicherung kommt es durch Unkenntnis schnell zu einer Missachtung der Obliegenheiten. Außerdem kann ein Versicherer einen Schaden schneller regulieren, wenn ein Versicherungsnehmer seinen Pflichten korrekt nachkommt.

Arten von Obliegenheiten

Grundsätzlich unterscheidet man bei Versicherungsverträgen zwischen Obliegenheiten vor dem Vertragsschluss, während der Laufzeit und im Versicherungsfall. Welche Obliegenheiten jeweils zu beachten sind, steht immer im Versicherungsvertrag. Es empfiehlt sich daher, diesen genau zu lesen.
 
De facto die oberste Obliegenheit ist die Zahlung des Versicherungsbeitrages beziehungsweise der Versicherungsprämie. Sonst kommt kein wirksamer Versicherungsvertrag zustande.
 
Nachfolgend einige Beispiele für weitere Obliegenheiten:

Obliegenheiten vor Vertragsabschluss

  • Die vorvertragliche Anzeigepflicht informiert den Versicherer über persönliche Verhältnisse und zu versichernde Risiken. Dies ist unter anderem die Grundlage für die Berechnung der zu zahlenden Versicherungsprämie. Versicherungsnehmer sind verpflichtet, den Versicherungsantrag wahrheitsgemäß auszufüllen und Fragen vollständig zu beantworten. Bei der Antragstellung für eine Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherung müssen alle Fragen nach Vorerkrankungen zutreffend beantwortet werden. Oder für eine Wohngebäudeversicherung sind alle Angaben zum Zustand des zu versichernden Hauses zu machen, nach denen der Versicherer bei Antragstellung fragt. Die Angaben dienen der Risikoermittlung.

Obliegenheiten während der Laufzeit

  • Mitteilungspflicht, wenn sich die Gegebenheiten, die bei Vertragsschluss bestanden haben, ändern. Dadurch können sich die Risikoverhältnisse verändern, sodass auch die Prämie angepasst werden muss. Beispiel: Bei Abschluss einer Autoversicherung wurde angegeben, dass das Fahrzeug nachts in einer Garage abgestellt ist. Fällt der Garagenplatz weg, muss dies der Versicherung mitgeteilt werden. Denn dieser Umstand erhöht das Schadensrisiko.

  • Meldepflichtige Gefahrerhöhungen sind vor allem in der Hausratversicherung, Gebäudeversicherung und Kfz-Versicherung relevant. Beispiel: Für das Streichen einer Fassade wird ein Gerüst gestellt. Das erhöht das Einbruchdiebstahlrisiko, da der Zugang über Fenster erleichtert wird. Aber auch in der Unfallversicherung kann sich eine Gefahrenerhöhung ergeben, beispielsweise durch die Aufnahme gefährlicher Hobbys.

Obliegenheiten im Schadenfall

  • Anzeigepflicht des Versicherungsfalls (Schadenmeldung)
    Sobald man als Versicherungsnehmer von einem Schaden Kenntnis erlangt, muss man diesen unverzüglich seinem Versicherer melden. Nach dem Gesetz gilt eine Meldung als unverzüglich, wenn sie „ohne schuldhaftes Zögern“ erfolgt - also möglichst noch am selben Tag.

  • Auskunftspflicht
    Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, alle ihm bekannten Tatsachen mitzuteilen, die der Versicherung bei der Regulierung des Schadens oder der Geltendmachung von Rückgriffsansprüchen gegen Dritte von Nutzen sein können. Soweit es dem Versicherungsnehmer zumutbar ist, hat er auf Verlangen auch die erforderlichen Belege beizubringen.

  • Schadenminderungspflicht
    Ein Versicherungsnehmer muss alles ihm Zumutbare tun, um einen Schaden abzuwenden oder so gering wie möglich zu halten. Beispiele: Eine Ferienwohnung darf im Winter nicht unbeheizt bleiben, da dies zu Frostschäden führen kann. Bei einem Leitungswasserschaden muss die Wasserzufuhr sofort abgestellt werden, wenn der Schaden bemerkt wird.

  • Schadensicherungspflicht
    Beschädigte Gegenstände dürfen nicht eigenmächtig entsorgt werden und auch der Schadensort sollte möglichst unverändert bleiben, bis der Versicherer den Schaden begutachtet hat. Sollte dies zum Beispiel aus Sicherheitsgründen nicht möglich sein, beim Versicherer nachfragen.

  • Dokumentationspflicht
    Ein Schaden muss vollständig dokumentiert werden, am besten mit Fotos.

  • Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot – mittlerweile nach VVG als Verbot unwirksam, praktisch aber ratsam
    Diese Obliegenheit ist in der Kfz-Haftpflichtversicherung und in der Privathaftpflichtversicherung von Bedeutung. Nach dem neuen VVG ist ein Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) unwirksam. Dennoch sollte ein Haftpflichtschaden nicht ohne Rücksprache mit dem Versicherer anerkannt (Schuldanerkenntnis) und eigenmächtig bezahlt werden. Im Schadensfall prüft der Versicherer die Ansprüche Dritter. Stellt sich heraus, dass sie berechtigt sind, wird Ersatz geleistet. Andernfalls entfällt die Leistungspflicht des Versicherers und man bleibt auf den bereits geleisteten Zahlungen sitzen.

  • Anzeige einer Mehrfachversicherung
    Hat ein Versicherungsnehmer ein und dasselbe Risiko bei mehreren Versicherungsgesellschaften versichert, muss er dies den Gesellschaften mitteilen. Diese teilen dann den Leistungsanspruch untereinander auf. Das Thema Mehrfach- oder Doppelversicherung ist allerdings nur bei Sachversicherungen relevant. Denn ein Versicherungsnehmer darf nicht mehr Entschädigung erhalten, als das versicherte Risiko wert ist, zum Beispiel in der Hausratversicherung.

Rechtsfolgen bei Missachtung von Obliegenheiten

Die Missachtung von Obliegenheiten kann erhebliche Folgen für den Versicherungsnehmer haben. Maßgeblich dafür, wie sich Verstöße auf die Leistungspflichten des Versicherers auswirken, ist der sogenannte Mitwirkungsgrad des Versicherungskunden am Schaden.
 
Hier wird unterschieden zwischen:

  •   schuldloser/einfach fahrlässiger Verletzung
  •   grob fahrlässiger Verletzung
  •   vorsätzlicher Verletzung
  •   arglistiger Täuschung
 
Je höher das Maß des Eigenverschuldens beziehungsweise der Vorsätzlichkeit bei der Pflichtverletzung ausfällt, desto empfindlicher werden die Konsequenzen für einen Versicherungsnehmer. Diese reichen von einer Prämienerhöhung, einem Risikoausschluss, einer Reduzierung der Entschädigungszahlung bis zur Kündigung des Vertrages. Der Versicherer kann bei Vorsatz oder Arglist sogar vom Vertrag zurücktreten.
Aeltere Frau liest ein Schriftstück

Fazit: Versicherungsverträge und Allgemeine Versicherungsbedingungen sind keine angenehme Lektüre zum Zeitvertreib. Dennoch sollten Sie diese bei Vertragsabschluss lesen. Viele Obliegenheiten lassen sich aus dem gesunden Menschenverstand herleiten, beispielsweise dass es Sinn macht, Schäden umfassend zu dokumentieren. Bei anderen Obliegenheiten wie einer Gefahrenerhöhung in der Wohngebäudeversicherung fällt einem der Begriff dann wieder ein, wenn am Gebäude ein Gerüst aufgestellt wird. Gut informierte Versicherungsnehmer rufen dann fix ihren Versicherer an und alles ist gut.

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